2016/07/27

The Voice Between : The Art and Poetry of Yoshimasu Gozo

Yoshimasu Gozo (吉増剛造) dichtet nicht nur, sondern verwandelt die in Worten niedergeschriebene Sprache in richtige Kunstwerke, indem er sie mit verschiedenen Techniken der Malerei, Fotografie, Metallbearbeitung, Film und Ton verändert und weiterentwickelt. Szenen und Ausschnitte aus seinem Lebenswerk kann man noch bis 7. August im National Museum of Modern Art, Tokyo bestaunen und mit nahezu fast allen Sinnen erkunden. 

The Voice Between : The Art and Poetry of Yoshimasu Gozo im MOMAT
声ノマ:全身詩人、吉増剛造展

Yoshimasu Gozo, geboren 1939 in Tokyo, Asagaya, ist einer der wichtigsten Poeten und Künstler Japans, der sich noch bester Gesundheit und genauso hoher Beliebtheit erfreut.
Seit den frühen 1960ern, also noch mit Anfang 20, begann Yoshimasu zu dichten. Sein erster Gedichtband Shuppatsu ("Abfahrt"『出発』) erschien 1964, der zweite Gedichtband Ōgon shihen ("Goldene Lyrik", 『黄金詩篇』) wurde mit dem renommierten Takami Jun Preis ausgezeichnet. Viele weitere Gedichtbände sowie Auszeichnungen folgten, 2013 wurde er mit dem "Orden der Aufgehenden Sonne" ( 旭日小綬章) als "Person mit besonderen kulturellen Verdiensten" (文化功労者) ausgezeichnet.
  
Kupferrollen, mit Worten behämmert von Yoshimasu


Yoshimasus Gedichte beinhalten natürlich sehr starke avantgardistische Züge und sind nicht nur rein Japanisch, sondern auch verschieden Worte, Sätze und Wortgebilde aus dem Englischen, Französischen, Chinesischen, Koreanischen oder sogar Gälischen. Er scheint vor allem für die Schrift der Koreaner, Hangul, eine Vorliebe zu empfinden, da er sie als die "Schrift der Feen" bezeichnet.

Yosei (Fee) Hangul (Koreanisch)

Die Ausstellung ist in sieben "Kammern" eingeteilt, die von schwarzen Vorhängen voneinander abgeteilt sind, was der gesamten Ausstellung einen geisterhaften Hauch verleiht. (Allerdings war nur in 2 Kammern, der mit den Kupferblättern und der mit den Voice Tapes, das Fotografieren erlaubt. Deswegen gibt es nur davon Bilder)

Zunächst begann es mit den Fotografien Yoshimasus. Yoshimasu ist nämlich auch als Fotograf unterwegs, wobei er Collagen aus verschiedenen Fotografien erstellt. Bei der Ausstellung im MOMAT fing es zuerst mit "harmlosen" Fotografien von irgendwelchen Städten an. Zunächst sah es nach herkömmlichen Touristenfotos aus, aber irgendetwas irritierte mich. Es war die Spiegelung, als wären die Bilder durch eine spiegelnde Glasscheibe fotografiert worden. Diese Technik der Collage wurde dann immer ausgefeilter. So entstanden dann beeindruckende Fotos, die aus markanten Landschaften und Stadtbildern von sogar bis zu drei verschiedenen Ländern (zB Irland, Südkorea und Japan). Oder so stand plötzlich irgendwie geisterhaft im Garten seines Bekannten aus Orleans der Pariser Eiffelturm etc. 

Kupferrolle
Interessant fand ich auch, dass ein paar Fotografien, die der Dichter Hagiwara Sakutaro selbst gemacht hatte, ebenfalls ausgestellt waren. Sakutaro, über den ich bereits im vorherigen Eintrag ein wenig geschrieben habe, ist wohl der Dichter der japanischen Moderne, der alle nachfolgenden Dichter am meisten beeinflusst hat. Als ich seine Fotografien sah, wurde mir wieder klar, welchen immensen Einfluss er auf die zeitgenössische japanische Lyrik hat.

Nostalgisch! So viele Kassetten auf einen Haufen!
Dann ging es weiter zu den Kupferblättern, die von Yoshimasu mit verschiedenen Worten und Sätzen in verschiedenen Sprachen und Schriftsystemen (Lateinisch, Japanisch, Koreanisch) beschrieben waren. Die Kammer wurde musikalisch mit monotonen Hammergeräuschen leise beschallt und man konnte ein "Sample" berühren. 


Auch bei den Voice Notebooks (声ノート), den Voice Tapes, die Yoshimasu aufgenommen hat, war Fotografieren erlaubt. Zunächst wurde die Kollektion seiner Tonträger gezeigt, wobei englischsprachige Dichter und Schriftsteller meiner Meinung nach hervorstachen. Danach waren die Voice Notes von Yoshimasu aufgereiht. Er hat die eigentümliche Angewohnheit, stehts einen Voice Recorder um den Hals umgehängt zu haben und sich selbst bei allen Möglichen Vorträgen und Lesungen aufzunehmen. 


Seine "Naked Memos" (裸のメモ) sind eigentlich Handouts für die Vorträge und Unterrichte, die er bis jetzt gehalten hat, und enthalten hie und da auch kurze Gedichte. In der Kammer von GozoCine konnte Ausschnitte aus seinen Filmen "Maimaizu Well" (まいまいず井戸) von 2006 sehen. Leider konnte ich  mir die nicht bis zum Schluss ansehen. Weiters waren auch am Gang um die Kammern herum Bildschirme mit Kopfhörern angebracht, wo man sich verschiedene Videos von Yoshimasu ansehen konnte. 

Der Ausstellungskatalog
Mir gefiel vor allem auch die Kammer mit den Manuskripten verschiedener Schriftsteller und Dichter. Einige Manuskripte von Yoshimoto Takaakis Gedichten lagen auf, sowie die Manuskripte zu Novellen des jung verstorbenen Schriftstellers Nakagami Kenji. Natürlich liegen auch einige Manuskripte von Yoshimasu selbst auf, der alle seine Werke nur handschriftlich festhält und keinen Computer benutzt. 

Auszug aus "Kaibutsu-kun"
Rund um die Kammern herum schlängelte sich Kaibutsu-kun (怪物君), auf Englisch "Dear Monster" genannt. 2012 nach dem Tode von Yoshimoto Takaaki begann Yoshimasu mit der Arbeit an Kaibutsu-kun, der eigentlich aus 3 Teilen besteht. Teil 1 enthält Yoshimasus eigene Gedichte, Teil 2 handschriftlich kopierte Gedichte von Yoshimoto, wobei er sie in extremen kleinen Schriftzeichen festhielt. Teil 3 enthält wieder Yoshimotos Gedichte, wobei die Hiragana Wörter in Kanji und Katakana, und die Katakana in Hiragana "übersetzt", also durch alle 3 Schriftsysteme des Japanischen verfremdet wurden. Die Manuskripte erhielten dann auch noch einen letzten Anstrich. Kaibutsu-kun war wirklich eines der beeindruckensten Ausstellungsstücke und eine hervorragende Würdigung Yoshimotos. 

Auszug aus Teil 3 von "Kaibutsu-kun":
Die verfremdete Übersetzung Yoshimoto Takaakis
Als sich die Öffnungszeiten des Museums bereits dem Ende neigten bin ich noch schnell in den Museumsshop und habe mir den Ausstellungskatalog besorgt. Dabei meinte die Verkäuferin, dass Yoshimasu selbst gerade in der Lobby sei und ich ein Autogramm bekommen könnte. Das hab ich gemacht. Er ist ein kleiner zarter Mann mit sanfter weicher Stimme, ein wenig schrullig, aber kleidungstechnisch war er wohl gerade "undercover", den er fiel überhaupt nicht auf. 

Signatur des Künstlers
Yoshimasu war total nett und verwickelte mich in einen Smalltalk und fragte mich nach meiner Meinung über die Ausstellung. Natürlich hab ich nur Scheisse gequatscht, was mir im Nachhinein total peinlich ist, aber er ist ein sehr interessanter Dichter und Künstler, und es war auch eine tolle Erfahrung, ihn live zu sehen und mit ihm zu sprechen.

Also, wer die Gelegenheit hat, sich die Ausstellung anzusehen, sollte dies unbedingt nutzen!

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