2012/07/01

Wiederinbetriebnahme des AKW Ôi - 17.000 bis 200.000 Demonstranten vor der Residenz des Premierministers Noda

Vielleicht haben es schon die Leute, die regelmäßig japanische Zeitungen lesen, (mittlerweile) erfahren:
Seit einigen Wochen gibt es im ganzen Land Demonstrationen gegen die geplante Wiederinbetriebnahme des AKW Ôi in der Präfektur Fukui (in dessen 50 km Radius sich die Städte Kyôto und Ôsaka befinden). 

Demonstranten versammeln sich vor und um die Residenz des Premierministers in Tôkyô
29. Juni 2012
geschätzte 17.000 bis 200.000 Teilnehmer

Das AKW Ôi soll heute, am 1.7.2012, wieder den Betrieb aufnehmen, da "genügend Sicherheit" gewährleistet ist und Noda, der derzeitige Premierminister, so fein ist und persönlich die Verantwortung trägt. Das wurde am 13. Juni 2012 beschlossen.
Wie auch immer Noda sich das so vorstellen mag, überzeugen konnte er nicht alle und daher kam es zu einigen Demonstrationen vor der Residenz des Premierministers in Tôkyô und in der Nähe seines Privatwohnsitzes in Funabashi, Chiba. (eine Chronologie der bisherigen Demos vor der Residenz befindet sich weiter unten)


Die Demonstration vom 29. Juni 2012
Im Demo-Stau
Die Demonstrationen vor der offiziellen Residenz des Premierministers in Tôkyô sollen jeden Freitag von 18 bis 20 Uhr abgehalten werden. Normalerweise könnte ich da sowieso nicht hingehen, weil ich am anderen Ende Tôkyôs um diese Uhrzeit arbeiten muss, letzten Freitag, am 29. Juni, war dies jedoch anders.
Da meine Schwägerin extra nach Tôkyô gekommen war haben wir uns zu Dritt in Akasaka Mitsuke (bzw. Nagatachô) getroffen und als sie dann um 19 Uhr los zum Shinkansen musste, um wieder nach Kyôto zu fahren, sind wir Richtung Bahnhof Nagatachô gegangen, aber ich wollte noch nicht mit dem Zug heimfahren also haben wir beschlossen, ein wenig herumzuspazieren. Uns ist aufgefallen, dass auf der großen Hauptstraße in Nagatachô neben der japanischen Flagge auch die Staatsflagge der Slowakei gehisst war, also dachten wir, dass wohl der slovakische Präsident oder so zu Besuch sei. Über uns ist auch die ganze Zeit in luftigen Höhen ein Helikopter gekreist, da dachten wir zuerst auch an Sicherheitsmaßnahmen für den slovakischen Präsidenten (wie auch immer?!). 

Luftaufnahme eines Teils der Demo
(C) Asahi Shinbun

Fukushima Mizuho im Interview
Vorsitzende der SDP und Abgeordnete des
Oberhauses
Dann sah man in der ferne schon die Umrisse des Parlaments, welches ja doch eine eigenwillige und prägnante Architektur aufweisen kann und nachdem ich noch nie dort war haben wir beschlossen, dort hinzugehen, damit ich mir das mal (zumindest von Außen) ansehen kann. Je näher man dem Parlament kam, desto mehr Polizisten standen herum und ein altes Ehepaar stand einsam vor einem der Ubahnausgänge der Station Nagatachô und demonstrierte gegen AKW. Ich dachte "das is alles?" als plötzlich einer der Polizisten auf unsere Straßenseite herrüberrief "Die Teilnehmer der Demo gehen bitte auf der rechten Straßenseite runter!" und die Leute, die etwas verwirrt aussahen, als sie aus der Ubahn kamen, sind sofort die rechte Straßenseite runtergelaufen. 
Ich wusste nicht, dass das Demonstranten sein sollten, denn es waren alles total normale Leute. Ich fand das witzig und wir wollten uns das ansehen und sind aber an den Polizisten auf der linken Seite runter gegangen. Dort konnte man zwar gut einen Blick auf die offizielle Residenz des PM Nodas werfen, aber dafür nicht wirklich was von der Demonstration sehen, weil zu viele Leute da waren. Auf der Seite wo wir zunächst angekommen waren, gab die Abgeordnete des Oberhauses und Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (SDP, 社民党) Fukushima Mizuho einigen Reportern ein Fernsehinterview. Ich hab sie, so wie viele andere, dabei einfach mal fotografiert (mit dem Handy) (Die SDP und vor allem Fukushima Mizuho sind gegen die Wiederinbetriebnahme der AKWs in Japan).

Die Residenz im Rücken, Blick auf die andere Straßenseite
Handys sind schlecht zum Fotografieren :/

Wir sind dann auf die andere Straßenseite und haben direkt auf die Menge geschaut, die gegenüber der Residenz stand (wir hatten sie im Rücken) und dort waren unheimlich viele Leute. Über uns kreiste noch immer der Hubschrauber und mir fiel dann ein, dass ich wo gelesen hatte, dass der Journalist Hirose Takashi die Demo mit einem Helikopter überfliegen wollte, um eine akurate Schätzung der Teilnehmer abgeben zu können, da je nach dem wen man frägt (Polizei oder Veranstalter) extreme Unterschiede herauskommen. 

Die Proteste aus der Luft gefilmt


Für die Demonstration am 29. Juni 2012 schwanken jedoch wieder die Angaben: von 17.000 (Polizeiangaben) bis zu 200.000 (Veranstalter). Erstaunlicherweise waren viele Kamerateams von verschiedenen TV-Sendern da und fast alle Zeitungen berichteten von der Großdemonstration, die sogar Noda erstaunt haben soll.
Bis auf die konservative und rechte (inhaltlich und auch von der Leserzahl her am besten mit der Kronen Zeitung zu vergleichende) Yomiuri Shinbun, die befand die Demonstration anscheinend nicht für wichtig genug, um darüber zu berichten. Der Staatssender NHK spielte nicht lange mit Zahlen herum sondern schätze grob, dass "mehr Teilnehmer als beim letzten Mal" da gewesen wären. Das wären immerhin 45.000 plus aufwärts.

Polizeibusse fahren auf um Nachschub frischer Polizisten zu bringen
Um 20 Uhr wurde die Demo nach und nach beendet, wir drehten eine Runde um die Residenz des Premierminsiters, doch ein kleiner Weg war von der Polizei abgesperrt und als mein Mann fragte, ob man da nicht entlang gehen dürfe (war ja doch nur ein öffentlich Weg und net der Weg ins Badezimmer Nodas *g*), fragte der Polizist zuerst "Sind sie von der Demo?" und wir "Nein, wieso?" und dann hat er uns den Weg da entlang gehen lassen. Wie auch immer. XD
Wir sind dann letztendlich doch noch zum Parlament gegangen, aber weil es schon so dunkel war, konnte ich da nicht mehr viel fotografieren. Wir haben drei Polizisten gesehen, die dort einsam abgestellt waren und herumgeblödelt haben. Tja, sowas gibts auch. >:D



ABER!
In deutschsprachigen Medien hab ich bis jetzt nichts von der Demo gelesen?! Hab ich nicht gut genug recherchiert? Wer irgendwelche Artikel dazu findet, bitte melden!
Ich frage mich, warum von dem Taifun vor 2 Wochen sogar im Standard berichtet wurde, aber von wirklich großen Protestaufmärschen usw nicht....

Rechtsgerichtete Anti-AKW-Aktivisten - ja, auch das gibt es in Japan,
obwohl sie in der Minderheit sind
Hier eine Chronologie der Ereignisse, zusammengefast mit Links auf den EX-SKF Blog:
Am 15. Juni 2012 versammelten sich ungefähr 11.000 Demonstranten vor der Residenz des Premierministers, um gegen die geplante Wiederinbetriebnahme des AKWs in Fukui zu demonstrieren. Die Nachrichtensender und Zeitungen berichteten - nun ja - nichts von der Demonstration. Nicht einmal die Tôkyô Shinbun, die eigentlich als das verlässlichste Blatt bekannt ist, da es sehr AKW-kritisch berichtet. 
Von der Demonstration Tags darauf, am 16. Juni 2012, berichteten dann zögerlich einige Medien (auch die NY Times), wobei die Proteste des Vortages unerwähnt blieben.

Am 22. Juni 2012, den darauffolgenden Freitag, protestierten bis zu 45.000 Menschen vor der Residenz des Premierministers in Tôkyô - diese Proteste konnten nun langsam nicht von den Medien (in Japan) ignoriert werden. Freie Journalisten wie Iwakami Yasumi oder Uesugi Takashi waren natürlich schon vom Beginn der Proteste weg dabei und sendeten Livebilder via Live-Stream.
Und am 24. Juni 2012 versammelten sich erstmals bis zu 10.000 Demonstranten in Funabashi, Chiba, wo sich der Privatwohnsitz Nodas befindet.

Eine ganze Menge, auf den ersten Blick, oder etwa nicht? 

Ob sich etwas ändern wird? Gestern war erneut eine Demo in Funabashi, Chiba und heute direkt vor dem AKW Ôi in Fukui. 

7 Kommentare:

  1. du hast recht, es wird hier (deutschland) in den medien über die demos in japan nicht berichtet :(
    ich habe auch auf einer grafik in facebook erfahren das die strahlung richtung tokio steigt

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    1. die strahlung in der luft hält sich in grenzen. vor kurzem haben sie allerdings in 11 präfekturen strontium entdeckt. was nicht verwunderlich ist, da sie erst jetzt danach gesucht haben....

      zum glück gibts (jetzt!) viele lebensmittel aus westjapan in kanto (im gegensatz zu westjapan....)

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    2. Ich denke in zukunft wird da noch mehr stahlung hinzu kommen, es ist ja noch nicht die "strahlen masse" von der außenwelt abgekapselt.
      und vorallem worüber ich mir gedanken mache ist das die millionen menschen nicht umsiedeln können,(...) - es sei den die Regierung plannt ein "Neo Tokio" aufzubauen :p
      Ist ja auch nur eine Frage der Zeit bis auf der Welt das nächste unglück passiert.
      Weißt du wie die Aufräumarbeiten voran gehen in den überfluteten gebieten?

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    3. ich denke, hier ist vor allem die regierung gefragt. die regierung kan hat viele fehler gemacht, die unverzeihlich sind. aber die noda regierung macht meiner meinung nach noch mehr fehler, indem sie alles herunterspielt und nichts aus der sache lernt.
      da sind jetzt wirklich die bürger japans gefragt...!

      immerhin wird jetzt der schutt aus tohoku nicht in kyoto verbrannt. ich habe in letzter zeit keine nachrichten gesehen (nur übers internet die tageszeitungen - asahi, mainichi oder tokyo shinbun (die einzige, die kritisch! berichtet) gelesen)
      die aufräumarbeiten selbst scheinen recht gut voranzukommen (anders als behauptet), jedoch leben noch immer menschen in provisorischen "wohnungen" (die man besser container nennen sollte...)

      osaka will ja für den fall der fälle das reserve-zentrum japans werden... nur dort ist ja das ôi, also für den fall der fälle -> okinawa... (und dann hoffen, dass die taiwanesen nix anstellen..)

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  2. heute den So - 29.07.2012 wurde von demos berichtet und die gründung der partei "die grünen" in japan, hier im deut. tv

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    1. sehr gut, dass berichtet wurde! war's zufälligerweise der ZDF?
      im privatfernsehen in japan kam auch ein kurzer bericht vor dem sport :P

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    2. "staatsfernsehen nachrichten" also öffentlich rechtliche haben das ausgestrahlt zur prime time 20:00Uhr

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