2012/12/17

Neuwahlen in Japan 2012: Gebt dem Falken sein Curry

... damit er wieder gehen kann.

Heute wurden in Japan eine neue Regierung und ein neuer Bürgermeister Tôkyôs gewählt!

Der alte neue Premier Abe (rechts) freut sich mit dem Generalsekretär
der LDP Ishiba über den Erdrutschsieg

Bei den heutigen Neuwahlen in Japan hat die LDP (Liberal Democratic Party, 自民党, jimintô) mit ihrem Zugpferd - dem alten Premier (2006-2007) - Abe Shinzô (安倍晋三, er isst ganz schnell Curry! und ist deswegen wieder fit, Japan zu regieren) einen Erdrutsch hingelegt und die Regierungspartei DPJ (Democratic Party of Japan, 民主党, minshûtô) regelrecht aus dem Parlament gefegt. 
Gut, (nun Ex-)Premier Noda hatte tatsächlich das coolste Wahlplakat, aber es war wohl zu cool und er selbst zu unbeliebt. Mittlerweile ist er auch als Vorsitzender der DPJ zurückgetreten.

Ex-Premier Noda ist nicht begeistert..
Also haben sich 45,42 Prozent der Wähler entschieden, den alten Weg von Herrn Abe zu gehen - der sich zwar schon mal als nicht so toll erwiesen hat. Obwohl so viele Parteien wie noch nie zuvor angetreten sind - viele neugegründete, die sich vor allem die Anti-AKW-Bewegung zu Nutze machen wollten - wurde (wieder) konservativ gewählt. Die LDP ist die Regierungspartei des Nachkriegsjapans und ihre Herrschaft wurde nur zwei Mal - einmal 1993 bis 1994 und 2009 bis jetzt - unterbrochen.


Unter den neuen Parteien erhielt vor allem die JRP (Japan Restauration Party, 日本維新の会, nihon ishin no kai) mit dem Ex-Gourverneur von Tôkyô Ishihara Shintarô (石原慎太郎) und Ôsakas Bürgermeister Hashimoto Tôru (橋下徹) extremen Zuwachs und die New Kômeitô (公明党, kômeitô) wird wie gehabt als der alte neue Koalitionspartner der LDP gehandhabt. 

Wofür steht der alte-neue Premier Abe, der auch "Falke" genannt wird? Er gilt als rechter Hardlininer der konservativen und wirtschaftsliberalen LDP, ist amerikafreundlich, verscherzte es sich in letzter Zeit mit China und Südkorea und möchte Artikel 9 aus der Japanischen Verfassung streichen, damit Japan endlich ein eigenes, richtiges Heer aufstellen kann. Und den von der DPJ erreichten Atomausstieg bis Ende der 2030er möchte er auch wieder rückgängig machen.
Ishihara und Hashimoto sind auch eine explosive Mischung, da beide Herren extrem außenrechts orientiert und in letzter Zeit vor allem durch äußerst bedenkliche Kommentare ("Japan braucht eine Diktatur" - Hashimoto etc) aufgefallen sind.

Tja, alles so, wie gehabt. Oder noch viel schlimmer?


Neuer Gouverneur von Tôkyô - Inose Naoki

Der neugewählte Gouverneur Tôkyôs
Inose  Naoki bekommt Blumen überreicht
Und am selben Tag wurde auch für Tôkyô ein neuer Gouverneur gewählt, nachdem Ishihara Shintarô im Oktober 2012 nach der Wahlniederlage seines Sohnes  sein Amt zurückgelegt hatte. Das - wenig überraschende - Resultat dieser Wahl - Ishiharas Vertreter, Inose Naoki, (猪瀬直樹) Dazai Osamu-Biograf und Politiker, wurde zum neuen Gouverneur der japanischen Hauptstadt gewählt. Er trat als Parteiloser an, jedoch gaben LDP und die Kômeitô Wahlempfehlungen für ihn ab. Einer seiner Gegner war Utsunomiya Kenji (宇都宮健児), mit dem ich gestern fast im Bahnhof Ikebukuro zusammengestoßen wäre. O.o

Inoses Wahlkampfthemen waren überwiegend die Bewerbung Tôkyôs für die Olypischen Spiele 2020, die eigentlich ein zentrales Thema Ishiharas waren, und wirtschaftliche Aspekte, während Utsunomiya - für den die Kommunistische Partei Japans und die Sozialistische Partei Japans Wahlempfehlungen abgaben - die  Anti-Atomkraft-Bewegung als Kernpunkt wählte. 

Ein entscheidender Tag für Japan ist heute zu Ende gegangen und vor allem durch eine geringe Wahlbeteiligung aufgefallen. Die Japaner, mit denen ich über die kommenden Wahlen gesprochen habe, wussten nicht, für wen sie sich entscheiden sollen. Die Fehler der DPJ im Zusammenhang mit dem Atomunfall in Fukushima und den gebrochene Wahlversprechen, der alte neue Premier Abe, der Rechtsruck von Ishihara und Hashimoto, viele neue kleine Parteien, die zwar gut klingen, aber letztendlich keine wirkliche Durchsetzungskraft haben werden - das ließ die meisten wohl zaudern und einer meiner Freunde wusste noch auf dem Weg zur Wahlkabine nicht, wofür er sich nun entscheiden sollte. 

Ich persönlich finde, die DPJ sollte sich für ihren vorhersehbaren politischen Selbstmord schämen - und Herr Abe braucht auf seinen Sieg gar nicht so stolz sein. Eher "Glück im Unglück" für die LDP, dass genau zur Regierungszeit der DPJ ein AKW in die Luft ging. Bereits das zweite "Glück" der LDP, denn der sozialistische Premier Murayama Tomi'ichi wurde 1995 scharf kritisiert, zu spät geeignete Hilfsmaßnahmen geleistet zu haben, als im Jänner 1995 das Kôbe Erdbeben Kôbe und die Hanshin-Region zerstörte. Dann gab es ja noch den Giftgas-Anschlag der Aum Sekte im März... Im Jänner des darauffolgenden Jahres dankte er ab. 

Was wird die Zukunft für Japan bringen? 
Man weiß es nicht, man kann nur hoffen, dass nichts Unvernünftiges passieren wird. Ich für meinen Teil flüchte mich in die Winterferien und werde aus der Ferne beobachten, in welche Richtung Abe Japan tatsächlich lenken will.


Zeitungsartikel:
Mainichi Shinbun: PROFILE: Abe, known as hawk, eyeing revision to pacifist Constitution (Englisch)
Noda to step down as DPJ leader after party's shattering defeat in election (Englisch)

(EDIT: In der ersten Version habe ich eine schwerwiegende Verwechslung gemacht! Nicht Adler, sondern Falke wird Herr Abe genannt. Sorry!)

2 Kommentare:

  1. ich bin auch ganz deiner Meinung, es ist schlimm, wie desinteressiert die meisten Leute sind, dass sie bis zum Zeitpunkt, wo sie ein X machen müssen, nicht wissen, was sie eigentlich wählen. Ich fürchte nur, dass es genau diese Leute sind, die dann denken:"Na nehmen wir halt das, was früher populär war, da kann man sicher nicht viel falsch machen" - und genau die machen dann alles viel schlimmer! dabei gab es wie du auch meintest diesmal wirklich viel Auswahl!
    Ich muss auch sagen, ich bin sowas von stinkneidisch auf die Japaner! Ich will auch das Wahlrecht!!
    Mit Abe haben wir jetzt nicht nur das Problem mit der Atomkraft, sondern auch das mit den Nachbarländern könnte sich ziemlich verschärfen, vor allem, wos grad eh nicht wirklich sonderlich gut läuft! Ich weiß nicht, welche Drogen die Wähler genommen haben, aber die gehören echt verboten!!

    lg, Claudia

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  2. In Krisenzeiten wählen die Leute eben konservativ, aber warum ausgerechnet, Abe, der es schon einmal nicht geschafft hat, ist merkwürdig. Es war weniger eine Pro-Abe als eine Anti-DPJ Wahl. Man wollte es der DPJ heimzahlen, und es gab halt nix besseres bei den alten Rivalen als Abe...
    "Ich weiß nicht, welche Drogen die Wähler genommen haben, aber die gehören echt verboten!!"
    Mit dem bin ich überhaupt nicht einverstanden, weil genau das ist die Linie von Hashimoto & Co, nur eben in die andere Richtung. Die Leute haben sich für Abe entschieden und das ist zu aktzeptieren und man kann darüber diskutieren, aber es ihnen verbieten zu wollen, jemanden frei zu wählen, der halt nich gerade der eigenen Gesinnung passt, gehört nicht in eine Demokratie.

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