Pripyat
Am 3. Dezember wurde im Athénée France Kulturinstitut der Film Pripyat des österreichischen Regisseurs Nikolaus Geyrhalter ("Unser tägliches Brot" etc) vorgeführt. Im Anschluss gab es auch eine Diskussionsrunde mit dem Regisseur.
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Japanischer Flyer von Pripyat |
12 Jahre nach dem Atomunfall in Tschernobyl verbrachte Geyrhalter mit einem 5-köpfigen Team rund drei Monate in der evakuierten 30-km Zone um das havarierte Atomkraftwerk, um seinen Dokumentarfilm Pripyat zu drehen. Der Film ist komplett in schwarz-weiß gehalten und wie Geyrhalters andere Filme enthält er keine Kommentare des Filmemachers oder Musik, sondern lässt allein die interviewten Menschen, die nach der Evakuierung wieder zurückgekommen sind oder im weiter im Betrieb laufenden Reaktor von Tschernobyl arbeiten, zu Wort kommen. Das einzige, das verändert wurde, ist der Dreh in schwarz-weiß, um die Radioaktivität, die vom Menschen nicht gesehen werden kann, bildlich darzustellen, wie Geyrhalter in der anschließenden Diskussionsrunde erklärte.
Besonders interessant war, dass obwohl man die 30-km-Zone um den Reaktor herum nicht betreten darf, Menschen wieder von selbst zurückgekommen sind. Unter ihnen wurde ein betagtes Ehepaar portraitiert, welches sich sehr wohl im Klaren darüber ist, dass die Radioaktivtät sehr hoch und es kein Ort zum Leben ist, jedoch schon immer in Pripyat lebte und auch dort bis zum Tod weiterleben möchte.
Spielplan:
3. Dez. 2011
6. Dez. (Die.) bis 10. Dez. (Sa.) 2011
jeweils Beginn um 15:30 und 19:00 Uhr
*) 9. Dez. (Fr.) 2011: Diskussion zwischen Momoi Kazuma (Fotojournalist) und Shibutani Tetsuya (Filmforscher) nach der Vorstellung von 15:30 Uhr
Eintritt:
Normalpreis 1,200 Yen
Ermäßigung für Mitglieder des Athénée France Kulturinstituts 1,000 Yen
Athénée France Kulturinstitut
Tôkyô, Chiyoda-ku, Kanda Surugadai 2-11
Athénée France 4. Stock
Tel. 03-3291-4339(13:00-20:00)
Diskussionsrunde mit dem Regisseur:
Ich habe jetzt zum ersten Mal den im Jahr 1999 fertiggestellten Film Pripyat von Geyrhalter gesehen und fand die daran anschließende Diskussionsrunde mit dem Regisseur ziemlich interessant. Geyrhalter kommt aus Wien und da er natürlich auf Deutsch sprach, war es für mich wohl von allen am angenehmsten (es sind hauptsächlich Japaner gekommen). Zwei Dolmetscher waren jedoch anwesend. Einer der beiden übersetzte die Fragen des Publikums aus dem Japanischen ins Englische und Geyrhalter gab seine Antwort darauf auf Deutsch, welches von dem zweiten Dolmetscher ins Japanische übersetzt wurde.
Dabei fielen mir jedoch einige Probleme auf. Es ist nicht so, dass der japanische Dolmetscher kein gutes Deutsch können würde, da jedoch Geyrhalter Wiener ist, spricht er dementsprechend schnell und nicht so deutlich wie es zB Norddeutsche tun, was wohl ein paar kleine Probleme verursachte. Für mich als Österreicherin ist es natürlich überhaupt keine Schwierigkeit, da der Dialekt aus meiner Region noch schwieriger verständlich ist und schneller gesprochen wird als das Wienerische.
Es lag vielleicht daran, dass der japanische Dolmetscher etwas nervös war und /oder Geyrhalters schnelles Reden nicht gut verstanden hat, jedoch wurden auch (meiner Meinung nach) wichtige Dinge nicht übersetzt.
Bei der Diskussionsrunde stellte das Publikum Geyrhalter verschiedene Fragen und welche sich auch auf seine persönliche politische Meinung bezogen haben. Zum Beispiel, was er denn persönlich über AKWs denkt. Auf diese Frage hat Geyrhalter direkt geantwortet, und zwar mit "Meiner Meinung nach sind die AKWs keine Zukunft für die Menschen. Sie gehören weg." Dies wurde ein wenig sanfter ins Japanische übersetzt.
Ich bin selbst kein Dolmetscher, deswegen kenne ich mich auch mit den grundlegenden Regeln des Dolmetschens nicht aus, aber ich denke doch, dass wenn man dolmetscht, es - genauso wie bei einer Übersetzung - so nahe wie möglich am ursprünglichen Manuskript bzw. der Aussage dran sein sollte. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich kein japanischer Muttersprachler bin und mir deswegen die Übersetzung viel zu sanft vorkam, obwohl sie für einen Japaner genügend Pfeffer enthält.
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Die Geisterstadt Pripyat, dahinter das AKW Tschernobyl |
Leider hatte ich kein Notizbuch mit, aber ich möchte noch einige weitere Beispiele geben.
Geyrhalter meinte zB, dass um das AKW Tschernobyl herum mehr als die Hälfte der Vögel nicht das Erwachsenenalter erreichen und davor bereits sterben. Für mich war das eine wichtige Information. Leider wurde das überhaupt nicht übersetzt. Warum hat Geyrhalter wohl das Vogelsterben als Beispiel genannt. Womöglich wollte er damit sagen, dass wahrscheinlicherweise in 12 Jahren die Vögel rund um das AKW Fukushima ebenso nicht das Erwachsenenalter erreichen und vorzeitig sterben werden.
Das nächste Beispiel, das mir einfällt , sind die aus Kiev mitgebrachten Lebensmittel, Eine der Zuschauerinnen hat eine interessante Frage gestellt, und zwar, ob die Interviewpartner bzw. gezeigten Menschen in dem Film auch Geld oder so etwas wie eine Entschädigung für ihr Mitwirken bekommen. Geyrhalters Antwort darauf war ebenfalls interessant. Obwohl er bereits so lange Dokumentarfilme dreht, weiß er bis heute nicht, wie er die in den Filmen vorkommenden und interviewten Personen entsprechend entlohnen bzw. entschädigen könnte. Das ist eine verzwickte und sensible Sache, bei der man gut aufpassen muss. Wenn man von Beginn an Geld verspricht, könnte es passieren, dass die interviewte Person nur des Geldes wegen interessante Geschichten berichtet.
Deswegen hat Geyrhalter beim Dreh des Films Priyat die ganzen drei Monate in der Zone gemeinsam mit den dort lebenden und arbeitenden Menschen verbracht. Sie waren die ersten ausländischen Journalisten, die nicht nur einen Tag in der Zone verbrachten und dann wieder raus nach Kiev fuhren, sondern blieben jeden Tag dort. Dadurch hat er das Vertrauen der Leute gewonnen und sie begannen ihm verschiedenes zu erzählen und letztendlich kamen so viele Leute auf ihn zu, dass er sogar Interviews absagen musste.
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Der AKW-Unfall von Fukushima wurde genauso wie der AKW Unfall von Tschernobyl mit INES 7 bewertet |
Geyrhalter versucht sich auf gleicher Augenhöhe mit seinen Interviewpartnern zu bewegen und möchte ihnen deswegen auch als Dank etwas zurückgeben. Er wusste nicht genau, wie er das hätte anstellen sollte, also hat er die Leute, die in Pripyat vorkommen, gefragt, was sie denn gerne hätten. Da kam die Antwort "Lebensmittel aus Kiev".
Deswegen haben Geyrhalter und sein Team für die Menschen, die in der Zone leben und kein Auto und/oder keine andere Möglichkeit besitzen, die Zone selbst zu verlassen, aus der Hauptstadt Kiev Lebensmittel geholt.
Ich finde, dass dies ebenfalls eine wichtige Information war.
Die Menschen sind in die Zone zurückgekehrt und wollen dort bis an ihr Lebensende bleiben, obwohl sie wissen, dass die Radioaktivität sehr hoch, es für die Gesundheit schädlich ist und die dortigen Lebensmittel und das Wasser verseucht wurden.
Jedoch wünschten sie sich Lebensmittel aus Kiev, das heißt, Lebensmittel, die nicht verseucht sind. Das wurde leider auch nicht übersetzt.
Natürlich bin ich selbst kein professioneller Dolmetscher, aber ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig und hart diese Arbeit ist. Letztendlich denke ich mir, dass es doch enorm schwierig ist, aus dem Wienerischen zu übersetzen. Der japanische Dolmetscher wirkte wirklich nett und aufrichtig (bis auf die zwei, drei aufgezählten Punkte gab es ja sonst nichts zu bekritteln), ich denke auch nicht, dass er aus einem politischen Grund heraus viele Dinge nicht übersetzte. Ich kann mir vorstellen, dass es wohl einfach schwierig war, Geyrhalters Deutsch zu verstehen und Geyrhalter selbst sprach in einem natürlichen Fluss und wurde nach und nach immer schneller beim Sprechen. Seine Antworten waren lange und kompliziert, dass Fehler passieren, ist wohl verständlich.
Nichts desto trotz war es eine großartige Diskussionsrunde. Das Publikum stellte viele und vor allem auch interessante Fragen an den Regiesseur.
Am Ende ließ Geyrhalter aber etwas interessantes verlautbaren. Derzeit bereitet er in Japan einen neuen Film vor. Der jedoch keine Dokumentation über das AKW Fukushima werden soll, fügte er am Schluss noch schnell hinzu.
Nun ja, es verbleibt ein freudiges Warten auf einen interessanten Film über Japan!
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