2011/06/12

Anti-Atom Demo in Shinjuku 6/11

20.000 Teilnehmer laut Asahi Shinbun

Gestern, am 11. Juni 2011, fand eine Anti-Atom Demo in Shinjuku statt. Aber nicht nur in Shinjuku, für ganz Japan wurden ungefähr 130 Anti-Atom Demonstrationen angekündigt, in Tôkyô allein gab es schon 7 angekündigte Demonstrationen, wovon wahrscheinlich jene in Shinjuku am meisten Teilnehmer anlockte. 
Dort haben wir mitgemacht. 
Demonstrant, als AKW Fukushima verkleidet

Nachdem ich zugegebener Maßen eigentlich die Uni-Brennt-Demonstrationen in Wien mitgekriegt hab, bin ich dennoch gestern zum ersten Mal auf einer Demo mitmarschiert (die Regenbogen Parade in Wien anschauen gehen zählt ja nicht als Demo, oder? :D). Meine Mutter war gleich in Panik, da sie der festen Überzeugung war, die Polizei würde mich sofort verhaften und abschieben. Aber wir sind ja nicht in China, und auch nicht in Österreich! Ich war überrascht, wie die Demo abgelaufen ist, nachdem ich von den Begebenheiten auf österreichischen (linken) Demonstrationen bereits oft gehört hab (sofern man Standard-Zeitungsartikeln glauben mag...). 

Japan war ganz anders. In vielerlei Hinsicht. 

Zunächst versammelten sich um 14 Uhr alle auf einem für die Demo reservierten Platz im Shinjuku Chûô-Park, wo verschiedene Live-Acts Stimmung machen sollten. Eine Schulmädchen-Girlie-Band ala AKB48 war auch dabei, die gräßlich in den Ohren weh tat, je näher man sich begab.



Nach Ende der Live-Acts kam noch einmal ein Mann auf die Bühne und erklärte, wie alles ablaufen sollte, sozusagen gab er den Startschuss für die Demo. 
Dezentes Polizeiaufgebot
An der rechten Seite der Bühne hinausschlängelnd sind wir gleich mal in einem Stau angekommen. Irgendwann schreit mein Freund "Da sind ja mehr Polizisten als Demonstranten!" und tatsächlich, wenn man sich über die Köpfe der Demonstranten ein wenig erhoben hatte, konnte man auf der anderen Straßenseite hunderte wartende Blauuniformierte sehen. 
Dann setzte sich der Zug in Bewegung und wir gingen auch auf die für die Demonstranten reservierte schmale Spur der Straße, doch schon stürmten viele Polizisten vorbei und teilten die Demonstranten. 
Der Zweck: damit es nach weniger Leuten aussieht. (Die Verkehrssicherheit beim Überqueren von Zebrastreifen usw spielt sicherlich auch eine - wenn auch nur kleine - Rolle...)

"Fuck You Tepco. We're from Fukushima" - Zunächst sah es nach Regen aus, deswegen wurden viele Schirme effektiv für die Demo umgestaltet :D


Bunte No Nukes-Oma mit Stofftier
Also trennte uns die Polizei vom ersten Zug. Einige Demonstranten versuchten dennoch wild aufgebracht durchzubrechen - genau vor mir. Ich war ja schon in "Panik", weil ich mir dachte, jetzt werden die verhaftet, dann in die Menge geschossen und dann wird die Demo aufgelöst, oder nur verhaftet und aufgelöst oder nur in die Menge geschossen. Was man halt so bei uns immer in den Zeitungen liest, wie Demos im Westen (auch Ö) enden.
Stattdessen versuchten die Polizisten mit einer menschlichen, blauen Sperre die Demonstranten vom Weitergehen aufzuhalten und sprachen auf sie freundlich ein. ("Es ist zu gefährlich, weiterzugehen" Jaja, ich weiß schon wie das noch interpretiert hätte werden können, daheim)
Einer läßt nicht locker, mit angepisstem Gesichtsausdruck ließen ihn dann zwei Polizisten durch und schüttelten nur den Kopf. 
Das wars, keine Festnahmen, zumindest nicht von Demonstranten vor meinen Augen. 

Die Demo wurde ziemlich zerstückelt, als wir um 17 Uhr in Shinjuku herumdemonstrierten hörten wir, dass erst jetzt die letzte Gruppe Demonstranten den Shinjuku Chûô-Park verlassen hätten. Von der Polizei hörte man zunächst, es wären 2.000 Menschen gekommen, dann hieß es 3.000 und letztendlich sowas um die 5.000. Allein in Shinjuku. Zu der Demo in Shibuya sollen laut Zeitung 1.700 Demonstranten gekommen sein, über die in Shinjuku wurde kein Wort verloren.
Asahi Shinbun berichtete heute in der Online Ausgabe, dass zur Demonstration in Shinjuku gestern allein 20.000 Leute gekommen seien! (Link zum Artikel)
Früher wurden so in Japan Nachrichten verbreitet, heute Demonstrationen

Touristen jubeln den Demonstranten zu
Langsam näherte sich unsere Splittergruppe der Demo dem Herzen Shinjukus und ein Reisebus blieb neben uns im Verkehr stecken, aus dem viele junge und alte Menschen uns zujubelten! (Bei einem Nachträglichen check der Fotos meinte mein Freund, das wären entweder Chinesen oder Koreaner gewesen, weil Japaner sowas nichts tun)
Die Hosts waren verwirrt, wo sollten sie nun ihr Geschäft weiterbetreiben, wenn die ganzen potentiellen Kundinnen von den Demonstranten abgesperrt werden. Andere Leute machten Fotos und einigejunge (so richtige Gyaru Pärchen) lachten nur doof und wiesen die Flyer ab, die einer der Demonstranten verteilen wollte. 

Ein weiteres havariertes AKW fand seinen Weg zur Demo
Dann passierte etwas Interessantes - jemand wurde von der Polizei weggebracht!
Auch viele Ausländer nahmen teil
Aber es war nur ein rechter Opa, der ganz aufgebracht die Demonstranten beschimpfte und anschrie, hab ich noch nie in meinem Leben gesehen (XD), und ein Polizist hat ihn irgendwo hingebracht. Leider hab ich zu spät geschnallt und nicht fotografiert.
Eine adrette Oma im Kostüm und mit Einkaufssackerln fotografierte eifrig die Demonstranten und klatschte mit, obwohl sie nur am Gehsteig stand und zusah. Es wurden auch Anti-Atom-Sticker im Hanafuda-Stil verteilt, davon hat sie eines genommen und ihrem Opa aufs Hemd geklebt. 

Der letzte Aufruf

Rechte Recken veranstalten eine Anti-Anti-Atom Demo....
Na gut, dann ging die Demo auch schon ihrem Ende zu und wir kamen schön langsam am Platz ums Studio Alta an, der absolut überfüllt war, dass man leicht hätte Panik bekommen können. Es waren so viele Menschen - und eine Gegen-Demo der Rechten, man konnte nur auf der anderen Seite des Platzes irgendwo aus einer Menschenmasse (normale Leute, die zum Shoppen gekommen waren) die alte nationalistische Flagge Japans sehen. Die Polizei hatte die Rechten von den Linken getrennt (und nicht umgekehrt! Wahnsinn!) Und es waren entweder 5 oder 10 Leute dort, um eine Gegen-Demo zu machen. (Der Rest hat sich wohl vorm Hauptquartier von TEPCO aufgestellt, um es von den bösen Demonstranten zu beschützen.. Ja das machen die wirklich...die Rechten in Japan...)

So viele Menschen am Platz, Demonstranten, Kundgebungen (eine Frau sprach auf einem Kundgebungswagen auf Französisch, welches dann von einem Japaner übersetzt wurde), 5 rechte Demonstranten, unzählige Menschen, die eigentlich nur shoppen wollten und nun nicht mehr durchkommen konnten. Das jetzt Autofahrer oder Passanten wütend gewesen wären und die Demonstranten beschimpften hätten, hab ich auch weder gehört noch sonst irgendwie bemerkt, eigentlich schien es so, als wären die einen (zB die Hosts und Gyarus) verwirrt, was das soll, und die anderen sympathisierten. Oder es is einfach nur meine Einbildung und Wunschvorstellung. :D

Tohoku, gib nicht auf!

Am Platz vorm Studio Alta war also kein Durchkommen mehr, wir kämpften uns irgendwie unterirdisch auf die andere Straßenseite durch, weil wir dachten, wir könnten von irgendwo hoch oben einen Blick auf den Platz werfen, was aber nicht gelang. Vom Starbucks im JR Bahnhof konnten wir auch keinen guten Blick auf die Demo bekommen, deswegen haben wir uns bereits total erschöpft und ziemlich tot auf den Weg nach Hause gemacht, da noch ein Izakaya Besuch anstand. (Ich hab Besuch, und der hatte Geburtstag ^^) Am Bahnhof sind uns noch andere Demonstranten entgegen gekommen, da ab 18 Uhr bis 20 Uhr nur noch die Demo vorm Studio Alta als Versammlungsort diente und es scheinbar Kundgebungen gab. 

Vor dem Studio Alta

Naja, das wars schon. War eine interessante Erfahrung, der 11. September 2011 wird auch interessant, weil dieser Tag fällt auf einen Sonntag und markiert noch dazu das 6-monatige "Jubiläum" der AKW-Katastrophe. 

 Hier ein interessantes Video, bei dem die Demonstranten vor dem Studio Alta aus der Vogelperspektive aufgenommen wurden. So kann man sich vielleicht ein kleines Bild machen:




Weitere Bilder:

Viele kamen kostümiert
Die letzten Vorbereitungen vor der Demo
Kostümierte Demonstranten

Zuerst habe ich gedacht, sie wäre nackt gewesen. XD
Vor allem auch die ältere Generation nahm teil
Es gab viele interessante Plakate
Eine Mutter mit ihrer Tochter, dahinter versuchen Polizisten Demonstranten zurückzuhalten
Manche Kostüme erregten Verwunderung...
Auch Tiere sind gegen Atomkraft!
Manche Plakate schockieren...
Andere sind lustig: Plakat mit dem Chef von TEPCO, das ihn kritisiert, nach dem Unfall für seine Familie eine Wohnung in Ôsaka gekauft zu haben...
Anti-Atom-Hund
Polizisten regeln den Verkehr und halten Demonstranten zurück, damit die Demo kleiner aussieht
Polizisten halten die Demonstranten zurück
Anti-Atomkraft Demonstranten.... oder entflohene AKW Arbeiter?
Der Mann, der mit einem Merkel-Kopf zur Demo kam
"Lügner!!" wurde mal ganz dreist unterstellt
Kreativität kenn keine Grenzen - auch nicht bei Anti-Atom
Manche Demonstranten waren sehr motiviert!
Plakate gegen Atom und für erneuerbare Energien
Die Anti-Atom Bewegung ist auch auf Twitter aktiv
Die Polizei hat alle Hände voll zu tun...
Weitere Anti-Atom-Hunde
Demonstrationszug durch Shinjuku, im Hintergrund The Cocoon
No Nukes-Tanten
Auch die Hibakusha-Bewegung nahm teil
"Edano, sag uns die Wahrheit!" fordert dieser Mann
Ca. 5000 Personen sollen teilgenommen haben, wussten wir zu dem Zeitpunkt dieses Fotos.
20.000 sollen es laut Asahi Shinbun gewesen sein!
Erheiterung am Rande: Ich habe einen Izakaya entdeckt, der mit halbnackten Polizistinnen wirbt und wollte das Plakat fotografieren, da rennt mir ein Polizist rein. Tja... selber Schuld. XD
"Danger Radiation Risk" in Shinjuku
Musikalische Untermalung fand auch hie und da statt
Unser Teil des Demonstrationszuges beim Abbiegen - die armen Polizisten, so viel zu tun!
No Nukes-Forderungen in Shinjuku
Nur noch wenige Meter und einige Polizisten zwischen uns und dem Ziel des Zuges

Demonstranten in aufwändigen Kostümen begrüßen die neu dazugestoßenen Demonstranten kurz vor dem Studio Alta
Der Platz vor dem Studio Alta war pumpvoll!
Vor dem Studio Alta
Vor dem Studio Alta
Vor dem Studio Alta, Ostausgang des Bahnhofs Shinjuku
Viele Polizisten
Auch Stoffbären sind gegen Atomkraft!
"TEPCO - SHAME ON YOU!" - Recht so!


4 Kommentare:

  1. Der 11. September ist heuer auch das 10-jährige Jubiläum. Da wird die Katastrophe wohl leider im Medienrummel untergehen ...

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  2. Leider hast du da absolut recht... Aber ich werd trotzdem schaun, ob es eine Demo geben wird (bin mir recht sicher) und vielleicht geht sie ja Angesichts des 10-Jahres-11-9 zumindest nicht in Japan unter.

    Allerdings ist die Demo gestern, mit allein in Shinjuku 20.000 Teilnehmern, bereits *jetzt* in den westlichen Medien untergegangen... (bevor sie noch aufgehen konnte O.o) ;( (Heißt womöglich, auch ohne 11.9. würde die Demo untergehen :/)

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  3. Erst einmal gratulation das du durchgehalten hast, war ja einiges los auf der Straße.
    Sag mal hast du genauere Angaben wieviel Menschen in ganz Japan sich an Anti AKW Demos teilgenommen haben?

    Danke für den Bericht und der Dokumentationen.

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  4. Dankeschön! Es war nicht so schwer durchzuhalten, jedoch am Schluss vorm Studio Alta wars so ein Gedränge, dass man echt Platzangst bekommen konnte! Deswegen wars uns dann ein bißerl "zu viel". ^^;

    Tja, zu den Zahlen. Ich hab heute auch recherchiert, die Zeitungen schweigen sich groß aus. Lediglich Asahi Shinbun hat berichtet, dass bei der Demo in Shinjuku angeblich 20.000 Teilnehmer waren. Wie viele in ganz Japan teilgenommen haben, wird nirgends berichtet. Ich werd die nächsten Tage aber noch - wenn ich mehr Zeit habe - genauer nachforschen, weils mich ja auch interessiert.

    (Vor allem, warum bringt nur TBS über die Demo berichtet hat und die anderen Nachrichten-Sender scheinbar nicht, sondern von den Demos in Frankreich usw....)

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