Was man an einem sonnigen Samstagnachmittag niemals in Japan tun sollte - zu Hause sein!
Allein schon aus logischen Gründen gibt es viel bessere Ideen, einen sonnigen Samstagnachmittag in Japan zu verbringen, als zu Hause herumzulungern. Man könnte ins Museum (zu spät aufgestanden dafür), einen Radausflug machen (der letzte ging mit leichten Schrammen aus, deswegen fiel diese Option heute sowieso für mich flach...), Shoppen (wenn man Geld hätte bzw. sich dafür interessieren würde), sich mit Freunden treffen (wenn nicht alle so beschäftigt wären bzw. so weit weg) oder mit dem Hund am Tama-gawa entlang spazieren gehen (wenn der mal im Zuge eines Familiennachzugs importiert worden wäre...).
Wie man sieht, bin ich alle möglichen Optionen durchgegangen und habe mich dann aus Faulheit - nein aus Forscherdrang! - fürs zu Hause bleiben entschieden (Lernen, lesen, bißchen pennen, Katzen umknuffen usw), nachdem der Lieblingsmann für den späteren Nachmittag einen Umtrunk in einem Izakaya gemeinsam mit Universitätsprofessoren und -kollegen geplant hatte.
Eine alleinerziehende, japanische Katzenmutter (klein, vorne) versucht ihre Kinder (groß, Hintergrund) vor dem immer stärker werdenen Einfluss von Sekten in Japan zu beschützen. *fauch* |
Also sitz ich so allein vorm PC in der Küche (während sich der Lieblingsmann duscht) und studiere die Wiener Literaten-Kaffees (um mich im Nachhinein zu ärgern, dass ich es versäumt hatte, dorthin zu gehen. bäh.) und deren Stammgäste auf der allseits beliebten Wikipedia-Plattform, während sanft und betörend der Geruch von gerade in der angenehmen wärmenden Nachmittagssonne trocknendem Lack (die Außenwand des Hauses wird neu gestrichen) durch das Küchenfenster schleicht - und es klingelt! Ich dachte schon, Herr Ono, der Chef-Arbeiter der freundlichen Hausstreicher (die sind wirklich freundlich!) würde wieder irgendein Statement zum Vorrangehen des Streichprozesses geben oder sagen, dass sie wiedermal in unseren Garten hüpfen müssen, um dieses oder jenes Betonteil noch mal anzumalen. Oder sich dafür entschuldigen, dass der Lack so stinkt.
Falsch gedacht!
Vor der Haustür stand eine nette junge Japanerin, die mir ein Buch andrehen wollte, und weil ich Depp ja Bücher mag (und leider ne besondere Neugier besitze...) sag ich her damit. Das Buch wurde von einem halbglatzerten Koreaner herausgegeben, der für den Weltfrieden kämpft. Was ich sowieso bedenklich finde. Nicht, dass ich gegen Halbglatzen oder Koreaner oder den Weltfrieden wäre, aber es kommt mir komisch vor. Wer kämpft schon für den Weltfrieden? Noch dazu in einem Buch? (So lange es sich nicht um einen romantischen Sci-Fi-Roman handeln würde...) Aber Weltfrieden prinzipiell ist immer gut.(<- Privatmeinung).
Auf die Frage, ob ich aus Amerika sein, antworte ich mit "Nein, aus Europa". Depp wie ich bin, antworte ich dann auch noch auf die Frage, ob ich Japanisch denn lesen könne, mit Ja. (Stolz und Neugier sind eine üble Kombination - dumm stellen ist eigentlich die beste Methode, wenn man grad nicht sooo neugierig auf den halbglatzerten Koreaner, der für den Weltfrieden kämpft, wäre)
Sie gibt mir das Buch samt Kontaktdaten (ihrerseits, nicht des Koreaners) und fragt dann, ob ich einen Mann in Japan hätte, nachdem sie die Männerschuhe im Eingang gesehen hat. "Beneidenswert!" antwortet sie auf mein "Ja" (warum das so "witzig" ist -> s.u.), ob ich denn als Europäerin denn in einer Kirche sei bzw. in Japan zu einer Kirche gehe. Falsche Antwort: 2 Mal nein. Vielleicht wäre es besser gewesen, zu sagen, man sei gläubiger Christ, gehe regelmäßig in eine Kirche in Japan usw usw.. Aber was solls.
Ban Ki Moon ist Generalsektretär der UN - und eigentlich ganz nett und nicht verwandt mit Moon Sun Myung (Quelle: United Nations) |
Nun liebe Leser, um welche Sekte handelt es sich hierbei?
Nachdem ich die junge Frau abwimmeln konnte und ein großartiges Exemplar des Buches erhalten hab, hat sich auch der Lieblingsmann aus der Dusche bequemt und gefragt, was los war. (Irgendwie tauchen solche komischen Heinis immer auf, wenn er abwesend oder unter der Dusche ist... verdächtig..!)
Ich zeig ihm das Buch und er fragt mich, ob ich das kenne. Sein Stichwort war - Massenhochzeit.
Dann klingelts! Ja, irgendwann hab ich mal in der Zeitung heimwärts was von koreanischen Massenhochzeiten gehört.
Und das ist sie, die:
Moon-Sekte
(Anmerkung: Das ist nur eine grobe Zusammenfassung der Aktivitäten der Moon-Sekte, nachdem ich mal im Internet beim Lieblingsfreund Google recherchiert habe!)
Die Moon bzw. Mun-Sekte wurde von dem Koreaner Moon Sun Myung (bzw. Mun San Myung)1954 gegründet und ist auch unter dem Namen "Vereinigungskirche" im deutschsprachigen Raum bekannt. Zu beachten ist, dass Moon Sun Myung nicht verwandt mit UN-Generalsekretär Moon Ban Ki ist. (Koreanische Namen werden wie japanische zunächst mit Nachname Vorname gereiht, weswegen sich für uns die Lesung "Moon Ban Ki" komischer anhört als die gewohne Aussprache "Ban Ki Moon"). Das einzige, was die beiden Moons verbindet ist Korea. Koreaner sind recht gläubige Menschen, haben sich vor allem dem Christentum verschrieben - was zur Folge hatte, dass viele lustige und noch mehr weniger lustige religiöse Untergruppen und auch bedenkliche Sekten entstanden sind.
Die Moon-Sekte ist eine der weniger lustigen und mehr gefährlichen Sekten.
Zur Geschichte: Angeblich hatte Moon (nicht der Ban Ki, sondern der Sun Myung) im Jahr 1935 - am Ostersonntag - eine Vision von Jesus Christus, der ihn auserwählt hatte und darum bat (natürlich macht Jesus sowas!) seine Mission weiterzuführen und die Welt zu erlösen. (Mindestens!) Moon wollte zunächst mit bereits etablierten christlichen Gemeinschaften in Korea diesen Missionarsweg zu Ende gehen, scheiterte aber und gründete so 1954 seine "Heilig Geist Gesellschaft zur Vereinigung des Weltchristentums", besser bekannt als "Vereinigungskirche" bzw. "Moon/Mun-Sekte". 1957 wurde ein Büchlein namens "Erklärungen zum Göttlichen Prinzip" mit den Leitlinien der Sekte herausgegeben und ab dem Ende der 1950er Jahre begann man flott mit den Missionierungsversuchen in Japan und den USA.
Romantischste Hochzeit hoch 1000: Massenhochzeiten in Südkorea (Quelle: N24) |
1960 heiratete Moon Hak Ja Nan, zusammen stellen sie das unberührte Ehepaar dar und sind sowas wie die "Eltern" aller Gläubigen. Die Hochzeit nannten sie "Hochzeit des Lammes", gemeinsam führen sie auch die Massenhochzeiten durch.
Das Ehepaar Moon gondelte fleißig durch die Welt, um seine Thesen zu verbreiten und die Welt zum Weltfrieden zu bringen. 1971 zog die gesamte Religionsgemeinschaft in die USA um und Moon hielt Ansprachen in allen 50 Bundesstaaten. 1973 erschienen zeitgleich die deutsche und englische Übersetzung des Büchleins von Moon. Er unterstützte auch Präsident Nixon nach der Watergate-Affäre und die beiden trafen 1974 zusammen.
Moon sieht sich selbst als den zweiten Messias an, er ist der "Wahre Vater" und seine Frau ist die "Wahre Mutter", gemeinsam bilden sie die "Wahren Eltern" in der "Wahren Familie" der Sektengemeinschaft.
Bekannt ist die Moon-Sekte vor allem für die Massenhochzeiten. Hierbei werden die zukünftigen Ehepartner, die sich meist erst bei der Trauung selbst kennenlernen, von der Sekte nach gut dünken ausgewählt. 1988 verheiratete Moon selbst 2.500 koreanische Mitglieder der Sekte mit den japanischen Mitgliedern der Sekte, um die beiden Länder einander näher zu bringen. Natürlich wird der Moon'sche Segen gleichgeschlechtlichen Paaren verweigert. Die Sekte ist gegen Homosexualität, Vorehelichen Sex, Untreue usw. Moon versprach auch, Homosexuelle eleminieren zu wollen. 1993 wurden Moon von seitens Pak Chung Hwa Sexrituale mit den "Sechs Marien" (Jungfrauen, die auf eine Hochzeit mit Moon vorbereitet werden um dann die "Wahre Mutter" zu werden) vorgeworfen, die er nach dem Wiedereintritt in die Sekte zurückzog.
Die "Wahren Eltern" - Moon und seine Frau - Meine Eltern sehen trotzdem anders aus. Das ist auch wahr. (Quelle: N-TV.de) |
In Kritik gerät Moon auch durch die Jüdische Religionsgemeinschaft in den USA wegen Antisemitismuses. Moon nannte auch den Holocaust eine "Entschädigung für die Kreuzigung Jesus'" (mMn eindeutig antisemitisch..).
Das wäre ja alles nicht so tragisch, wenn Moon nicht die besten Kontakte in den USA hätte.
Es gibt Universitäten und Bildungsinstitute der Vereinigungskirche in den USA, unzählige kulturelle Einrichtungen (Ballettinstitute, Theater, Orchester) die der Vereinigungskirche nahe stehen, Sport - vor allem Fußball - Organisationen in Brasilien, Südkorea und der internationale "Friedens Cup", sowie politische und wirtschaftliche Organisationen, die mit Moons Sekte anbandeln. Die Sekte selbst unterstützt ebenfalls eine Reihe von Organisationen, u.a. die George Bush Presidential Library.
In Österreich und Deutschland ist die "Vereinigungskirche" keine anerkannte Religionsgemeinschaft. In Deutschland galt von 1995 bis 2006 ein Einreiseverbot für Moon und seine Frau, welches 2007 wieder aufgehoben wurde. In Österreich wurden Moon und seiner Frau ebenfalls mehrmals die Einreise verweigert. (Ob bis jetzt noch ein Einreiseverbot in Österreich herrscht, konnte ich auf die schnelle nicht recherchieren). In Japan soll noch immer ein Einreiseverbot bestehen, Bulgarien und Russland verweigerten ihnen die Einreise.
So, das war jetzt mal alles, was ich vorübergehend über den Herausgeber des Büchleins, das ich heute geschenkt bekommen habe, herausfinden konnte. Keine Garantie auf Vollständigkeit! Während des Schreibens ist mir schon die Lust drauf vergangen, ich frag mich nur, was die Leute antreibt, da mit zumachen.
Weltfrieden ist ja schön und gut, aber Gleichschaltung kann ich nicht befürworten, nachdem ich noch immer für die Selbstbestimmung eines jeden Individiums bin.
In Japan geht man am besten in einen netten buddhistischen Tempel oder einen shintoistischen Schrein, ist was fürs Auge, für manche womöglich für die Seele, und man kann freien Stückens wieder hinausgehen. :D
Hier noch Links für Interessierte:
So, und das nächste Mal bringe ich was über eine echt-japanische "Sekte" (Sekte, Kult oder neue Religion, da ist man sich noch nicht so einig) - die Sôka Gakkai! Ja genau, die haben letzte Woche auch bei mir angeklopft!
Der Typ (Gründer) ist auch CIA-Mann und die Sekte hat das Monopol für Ginseng aus Korea.
AntwortenLöschenDamit meinst du wohl die "Koreagate-Affäre", oder? Das mit dem Ginseng hab ich auch gelesen, unheimlich, aber dieser Insam kam mir sowieso wie ein kleiner Alien im Glas vor. *äußerstmysteriös*
AntwortenLöschenGenialer Artikel xD
AntwortenLöschenBesonders die Links für den Psychomarkt...echt amüsant, was da für Gestalten und Organisationen existieren :D
Danke!
AntwortenLöschenJa schon arg, was man im Internet dazu alles findet! Ich vermisse ja eine Liste über Sekten und "Jugendgefährdende" Organisationen herausgegeben von den diversen Innenministerien und dem Verfassungsschutz Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Man findet nur die anerkannten Religionsgemeinschaften, aber keine Liste mit den "bedenklichen" bzw. auch keine genauen Infos zu zB Einreiseverboten usw.
DAS wäre mal interessant ;P